Dr. Gerhard Schulz ist seit dem 1. März 2019 Vorsitzender der Geschäftsführung der Toll Collect GmbH. Vor seiner Tätigkeit bei Toll Collect war er als Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur tätig. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Verkehrsministerium ist Schulz bestens vertraut mit Toll Collect und der Lkw-Maut - und über genau diese sprach Anja Ludwig mit ihm.
Lkw-Maut: Die Ausweitung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge über 3,5 Tonnen ist derzeit in aller Munde und sorgt für viel Unmut bei den Unternehmen. Dazu eine rein praktische Frage: Ist es überhaupt möglich, so viele Fahrzeuge in so kurzer Zeit mit OBUs nachzurüsten? Und kann Toll Collect die Unternehmen hier unterstützen?
Die Ausweitung der Lkw-Maut auf Fahrzeuge über 3,5t ist gemäß Beschluss der Bundesregierung ab dem 01.07.2024 geplant. Toll Collect bereitet alle nötigen Systemanpassungen vor und wird rechtzeitig eine OBU bereitstellen, die auch Fahrzeugen ohne ausreichende DIN-Schächte die automatische Mauterhebung ermöglicht. Für den Einbau der OBU stehen unsere zertifizierten Servicepartner zur Seite. Dieses Netzwerk wird kontinuierlich erweitert. Toll Collect wird in den kommenden Monaten schrittweise und zielgruppenspezifisch über die geplanten Änderungen am Mautsystem informieren.
In das Thema Elektromobilität im Straßengüterverkehr kommt langsam Bewegung, immer mehr Spediteure und Transportunternehmen beschäftigen sich – zumindest schon gedanklich – mit dem Umstieg auf alternative Antriebe. Welche Rolle spielt dieses Thema für Toll Collect? Können die von euch erhobenen Daten hier genutzt werden?
Die Analyse von Mautdaten ermöglicht eine intelligente Planung neuer Infrastrukturvorhaben auch und gerade im Bereich Elektromobilität. So ist eines der ersten Anwendungsfelder die Vorbereitung eines Schnellladenetzes für schwere batteriestrombetriebene Lkw. Im Auftrag der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur (NLL), die zur bundeseigenen NOW GmbH gehört, hilft Toll Collect mit Datenanalysen bei der Standortplanung. Wir können ein Befahrungsmuster des gesamten Fernstraßennetzes zur Verfügung stellen, aus dem sich ergibt, wo Ladestandorte optimal platziert wären und wie viele Ladeplätze sie jeweils haben sollten.
Ansonsten sehen natürlich die Mautbestimmungen Vorteile für Lkw mit alternativen Antrieben vor. Elektrofahrzeuge und Wasserstoffverbrenner sowie Fahrzeuge mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle bleiben bis Ende 2025 und Fahrzeuge bis zu 4,25 Tonnen tzGm sogar unbefristet von der Maut befreit. Ab dem 1. Januar 2026 muss für die zuvor genannten emissionsfreien Fahrzeuge dann nur 25 Prozent des üblichen Mautteilsatzes für Infrastrukturkosten entrichtet werden, zuzüglich der Mautteilsätze für Lärmbelastung und Luftverschmutzung.
Welche weiteren/neuen Geschäfts- bzw. Handlungsfelder siehst du für das Unternehmen Toll Collect in den nächsten Jahren?
Auf Basis unserer zentralen Kompetenz, dem Betrieb des Mautsystems, entwickeln wir uns Stück für Stück weiter zur Serviceplattform des Bundes für Maut, Infrastruktur und digitale Dienstleistungen. Grundlage dafür ist die vertrauensvolle und professionelle Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) und dem Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM). Wir stehen kontinuierlich im engen Austausch und werden in den nächsten Jahren gemeinsam neue Geschäftsfelder für Toll Collect entwickeln, die Mehrwert für Bund und Gesellschaft stiften.
