Würfel Paragraph EUGH

Newsletter 7/2023

Drei Fragen an Professor Dr. Thomas Wieske

Prof. Dr. Thomas Wieske ist unter anderem Geschäftsführer des Instituts für Logistikrecht & Riskmanagement (ILRM GmbH) und Lehrbeauftragter der Universität Bremen im Fachbereich Rechtswissenschaft. Anja Ludwig sprach sprach mit ihm über das EuGH-Urteil zur Gruppenversicherung und was dieses konkret für Unternehmen der Logistikbranche bedeutet - und stellte ihm dafür ausnahmsweise vier anstatt drei Fragen.

 

Prof. Dr. Wieske
Herr Professor Wieske, das EuGH-Urteil zur Auslegung des Vermittlerbegriffs bei der Vermittlung einer Mitgliedschaft in einer Gruppenversicherung und die nun vorgelegte Aufsichtsmitteilung der BaFin gemeinsam mit dem DIHK haben bei vielen Unternehmen der Logistikbranche zu Unruhe und Verunsicherung geführt. Wie beurteilen Sie die BaFin-DIHK-Mitteilung?

Die Mitteilung der BaFin hat die Beantwortung der praktischen Fragen, die sich aus dem Urteil des EUGH vom 29. Septemeber 2022, C-633/20, ergeben, zum Gegenstand. Es geht darum, wie die Richtlinie 2002/92/EG und 2016/97/EU zur Bestimmung der Begriffe des Versicherungsvermittlers auszulegen ist, und wann es sich bei der Besorgung von Versicherungsleistungen für Kunden um gewerbliche Versicherungsvermittlung handelt.

Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) in Luxemburg vorgelegt, anlässlich eines Verfahrens das der BGH (IZR 8/19 v.15.12.2022) zu entscheiden hatte, in dem es darum ging, ob ein Verein, der seinen Mitgliedern, die ausschließlich Verbraucher sind, im Rahmen einer Gruppenversicherung Versicherungsschutz anbietet, Versicherungsvermittler im Sinne der Versicherungsvermittler Richtlinien der EU ist und die daraus folgenden Auflagen nach § 34d Gewerbeordnung (GewO) zu erfüllen hat.

Der EUGH hat diese Frage unter Hinweis auf die große Bedeutung des Verbraucherschutzes in der Versicherungsvermittler Richtlinie uneingeschränkt bejaht. Diese weite Auslegung des Begriffs des Versicherungsvermittlers betrifft aber viele Branchen, ganz besonders die Transportbranche, in der die Vermittlung von Versicherungsschutz durch Spediteure und Umzugsunternehmen zum Teil gesetzlich vorgeschrieben (§§ 451g, 472 HGB) und zum Teil vertragliche Nebenpflicht ist (§ 454 HGB; Ziff. 21 ADSp).  

In dem BaFin-Papier wird zum einen die Rechtslage nach der EUGH-Entscheidung dargelegt, zum anderen werden elf Fallgruppen gebildet und ausgeführt, wann eine Versicherungsvermittlung mittels Gruppenversicherung vorliegen würde oder warum eine solche nicht gegeben ist. Das ist wirklich instruktiv und praxisnah in der Art der Darstellung.

Hierbei wird in Fallgruppe 9 ein Speditionsunternehmen vorgestellt, welches das Wareninteresse seiner Kunden im Rahmen einer Generalpolice versichert gegen einen zusätzlichen Betrag. Hier wird die Tätigkeit des Speditionsunternehmens als Versicherungsvermittlung bejaht, weil das Speditionsunternehmen eine Vergütung erhält und es sich um eine freiwillige Versicherung handelt (Ziff. 21 ADSp).

Auf die Situationen nach § 472 Abs. 1 HGB (Versicherungspflicht des Lagerhalters auf Wunsch des Einlagerers) und zu § 451g Abs. 1 Verpflichtung des Umzugsunternehmens im B2C Geschäft auf eine Haftungserweiterung und zusätzlichen Versicherungsschutz hinzuweisen, ist die BaFin leider nicht eigegangen. Das ist umso bedauerlicher, als die dort vom Gesetzgeber im Frachtrecht formulierten Pflichten ja gerade dem Schutz des Auftraggebers des Speditionsunternehmens dienen sollen, insbesondere dann, wenn es sich bei diesen um Verbraucher handelt, wie in § 451g HGB. Also stehen sich hier quasi zwei unterschiedliche Ansätze des Verbraucherschutzes gegenüber.    

 

Wie würden Sie die Frage „Sind Spediteure Versicherungsvermittler?“ beantworten? Klassisch juristisch „kommt drauf an“?

Ja das sind sie, wenn sie ihren Kunden Versicherungslösungen anbieten und verkaufen, wie in der Fallgruppe 9 des BaFin-Schreibens bezeichnet, egal ob sie ihrerseits gegenüber ihrem Versicherer auch nur als Versicherungsnehmer auftreten. Immer dann, wenn ein Speditionsunternehmen für diese Leistung eine Vergütung erhält, so ist dieses Speditionsunternehmen ein Versicherungsvermittler im Sinne der Richtlinien der EU, für das dann natürlich auch die gewerberechtlichen Anforderungen nach § 34d Gewerbeordnung (GewO) gelten. Das heißt, das Speditionsunternehmen muss eine Erlaubnis bei der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) einholen, um als Versicherungsvermittler weiterhin seinen Kunden Transport- oder Warenversicherungen nach Ziff. 22 ADSp anbieten zu können. Es muss sich in das Versicherungsvermittlerregister eintragen lassen, den Nachweis der notwendigen Sachkunde zur Versicherungsberatung gegenüber der IHK erbringen sowie darüber hinaus die für die Versicherungsvermittlung notwendigen Informationen den Kunden geben und dies auch nachweisen können. Daneben muss das Speditionsunternehmen den Abschluss einer Haftpflichtversicherung gegen Beratungsfehler aus der Versicherungsvermittlung nachweisen.

Sollte jedoch das Speditionsunternehmen die Erfüllung dieser Anforderungen nicht nachweisen können, dann drohen zum einen nach § 15 Abs. 2 GewO eine mögliche Untersagungsverfügung und zum anderen auch ein Bußgeld nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 GewO wegen unzulässiger Versicherungsvermittlung.

Nur dort wo die Versicherungsvermittlung durch ein Speditionsunternehmen zu Selbstkosten erfolgt, also nur der Aufwand in Rechnung gestellt wird, was nachzuweisen wäre, ist kein gewerbliche Versicherungsvermittlung gegeben.

 

Was raten Sie Spediteuren und Möbelspediteuren im Moment konkret? Wie eilig ist der Handlungsbedarf?

Handlungsbedarf besteht „as soon as possible“. Rein formal könnten die IHKs morgen schon versuchen, ihre Rechte durchzusetzen; was ich aber nicht glaube, da das ja vernünftige Menschen sind, die ein bestehendes System nicht ohne Grund angreifen.

Aber, sagen wir, in einem halben Jahr, wenn die IHKs diese Mitteilung der BaFin und IHK gelesen haben, könnte das losgehen.

Außerdem sollte die Möglichkeit nicht unterschätzt werden, dass Verbände von ihrem Klagerecht Gebrauch machen können. Dem „auslösenden Fall“, der vom BGH/ EUGH zu entscheidenden war, lag z.B. eine Klage des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände zugrunde. Eine solche Klage gegen Umzugs- oder Speditionsunternehmen dürfte aufgrund der nunmehr gültigen Rechtsprechung von BGH und EuGH für die Kläger recht einfach zu führen und zu gewinnen sein.

Daneben sollten die Unternehmen schnellstmöglich Kontakt mit ihren Versicherern bzw. Maklern aufnehmen, denn auch dort werden Überlegungen über zukünftig „schlankere Lösungen“ angestellt werden. Ja, und natürlich ihr erster Ansprechpartner als Leser des KRAVAG-Newsletters, ist das KompetenzCenter Straßenverkehr und für Logistik bei der KRAVAG, dem führenden Versicherer in der Transportbranche.    

Ferner sollten auch Speditionsunternehmen prüfen, ob sie in Bezug auf ihre Tätigkeit als Versicherungsvermittler nicht unter die Erlaubnisbefreiung/Erlaubnisfreiheit nach § 34 Abs. 6 – 8 GewO fallen, weil ihr Umsatz in diesem Segment unter den gesetzlichen Mindestgrößen liegt. Das sollte jedoch mit der zuständigen IHK erörtert werden und dürfte nur in den wenigsten Fällen zutreffen.  

 

Für den Fall, dass die zuständige IHK eine Erlaubnispflicht attestiert: Benötigt dann jeder einzelne Disponent diese Erlaubnis nach 34 GewO oder genügt es analog dem „Verkehrsleiter“, wenn eine Person im Unternehmen die Erlaubnis innehat?

Die Erlaubnis zur gewerblichen Versicherungsvermittlung kann sowohl Firmen wie auch Individuen erteilt werden. Sofern Firmen eine gewerbliche Versicherungsvermittlung betreiben, müssen die damit unmittelbar tätigen Mitarbeiter über die notwendige Sachkunde und Qualifikation sowie Zuverlässigkeit verfügen. Außerdem müssen die hierfür eingesetzten Mitarbeiter jährlich mit mindestens 15 Stunden je Kalenderjahr weitergebildet werden.

Bei diesen Anforderungen ergibt es sicher Sinn, auch über neue Geschäftsmodelle nachzudenken, mit denen Speditionen und Umzugsunternehmen zukünftig die gestiegenen Anforderungen im Zusammenhang mit der Versicherungsvermittlung erfüllen und sich dabei auch noch entlasten können. Denn Ziel jeder logistischen Lösung ist ja eine Optimierung von Prozessen. Dies muss auch gelten für Lösungsansätze für Speditionsunternehmen, um die Probleme der gestiegenen Anforderungen bei der Vermittlung von Versicherungsleistungen zu bewältigen.

 

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