Das innere eines Reisesbusses, der der Sonne entgegenfährt

Newsletter 11/2023

Drei Fragen an Prof. Dr. Bernd Eisentein

Prof. Dr. Bernd Eisenstein ist Direktor des Deutschen Instituts für Tourismusforschung der FH Westküste. In dieser Tätigkeit iniitierte er einen Forschungsbericht zum Thema Busreisennachfrage in Deutschland. 

Anja Ludwig sprach mit Eisenstein über die Anfänge der Studie, deren Inhalte und was diese für Busunternehmen bedeuten.

 

Herr Professor Eisenstein, wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Nachfrageverhalten der Deutschen zu Busreisen zum Gegenstand Ihrer Untersuchungen zu machen?
Porträt von Professor Doktor Eisenstein
Prof. Dr. Bernd Eisenstein

Der Anstoß dazu kam über einen meiner Kollegen dem Logistikbereich bei uns an der Fachhochschule Westküste in Heide. Er war dort als Honorarprofessor tätig, in seiner eigentlichen Tätigkeit aber bei der KRAVAG-LOGISTIC Versicherungs-AG in Hamburg beschäftigt. Wir kamen in den Austausch darüber, dass wir bei uns im Deutschen Institut für Tourismusforschung unter anderem zum Reiseverhalten der Deutschen forschen. Der Kollege berichtete, dass aus seiner Sicht den Busreiseveranstaltern in Deutschland viel zu wenige wichtige Marktforschungsdaten zur Verfügung stünden bzw. diese nur schwer zugänglich seien.

Da uns bekannt war, dass durchaus Daten zu den Busreisen der Deutschen und den Potenzialen dieses Reisesegmentes im deutschen Quellmarkt vorliegen, haben wir verschiedene Schritte vereinbart: Zunächst sollte in einem gemeinschaftlichen Projekt die Datenlage zu Busreisen erfasst werden, um anschließend zentrale Daten zur Busreisenachfrage in Deutschland zusammenzuführen. Diese sollten schließlich der Busreisebranche praxisgerecht zugänglich gemacht werden. Dabei sollten sowohl vorliegende Daten berücksichtigt als auch bei Bedarf neue Daten erhoben werden.

Als weiteren Partner haben wir den Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmen (bdo) e. V. gewinnen können.

Durch die Corona-Pandemie hat sich die Projektbearbeitung immer wieder in die Länge gezogen, in diesem Jahr nun aber haben wir das Projekt zum Abschluss gebracht. Dies bedeutet, dass wir die geplanten Schritte alle umsetzen konnten. Für die Busreisebranche in Deutschland ist eine Broschüre entstanden, die ausgewählte Ergebnisse und Erkenntnisse aus den verschiedenen Untersuchungen zusammenfasst und Anfang November auf der Jahreshauptversammlung des bdo in Berlin vorgestellt wurde. Die Broschüre steht allen Interessierten kostenfrei zum Download zur Verfügung. Darüber hinaus liegen der KRAVAG und dem bdo zahlreiche weitere Daten rund um die Busreisenachfrage in Deutschland vor, die sie in ihre Arbeit integrieren können.

 

Welche Potenziale sehen Sie künftig für das in der Corona-Zeit ja sehr stark in Mitleidenschaft gezogene Segment der Bustouristik?

Die Studie identifiziert für die kommenden Jahre ein bundesweites Potenzial von etwa 13 Millionen Personen, die grundsätzlich Interesse an einer Busreise mit Übernachtung haben. Allerdings liegt bei einem Großteil noch keine konkrete Reiseabsicht vor.

Für Busreiseveranstalter gilt es, diese Interessenten durch attraktive und passgenaue Angebote abzuholen. Dabei ist ein Blick auf die einzelnen Zielgruppen und deren Bedürfnisse von hoher Wichtigkeit.

So zeigen uns die Daten beispielsweise, dass mehr als die Hälfte der Busreise-Interessenten in Deutschland 60 Jahre und älter, ein Großteil von ihnen ist sogar 70 Jahre und älter, ist. Das war erwartbar. Allerdings zeigt sich auch, dass das Interesse der jüngeren Zielgruppen seit der Corona-Pandemie langsam aber stetig zunimmt. Zwar passiert dies auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, eine Beobachtung und Ansprache der Zielgruppe scheint aber durchaus lohnenswert. Zu berücksichtigen ist dabei, dass sich die jüngeren Zielgruppen im Zusammenhang mit Busreisen (auch) für andere Themen als die älteren Busreise-Interessenten interessieren.

Bezogen auf alle Busreise-Interessierten in Deutschland konnten wir drei Felder von Urlaubsthemen bzw. -aktivitäten identifizieren, die gute Potenziale für eine Verknüpfung mit Busreisen aufweisen:

  1. Städte, Event & Shopping
  2. Historisches, Gärten & Parks
  3. Regionalität & Kulinarik.

Wenn wir uns die Vorlieben der jüngeren Zielgruppen anschauen, z.B. ganz konkret für die Zielgruppe der 14- bis 24-Jährigen, dann bestehen zwar auch gute Verknüpfungspotenziale zu den Themen „Städte“, „Event“ und „Historisches“, es ergeben sich aber noch etwas besser einzustufende Chancen mit den Themen „Baden, Strand & Wasser“, „Winterurlaub“ oder „Wellness & Relaxen“. Für die älteren Generationen bestehen überdurchschnittliche Potenziale in den Bereichen „Stadt“, „Kulinarik“ sowie „Kultur“ und auch „Natur“.  

 

Hatten Sie die Ergebnisse der Befragung im Großen und Ganzen erwartet oder hat Sie etwas sehr überrascht?

In unseren Untersuchungen haben wir uns auch mit dem Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Busreisen befasst. Dabei kam erfreulicherweise heraus, dass die Deutschen den ökologischen Vorteil, den der Reisebus gegenüber dem Pkw hat, bereits deutlich erkennen. Viele Bundesbürger sind einem nachhaltigen Reisen im Sinne eines möglichst ökologisch verträglichen, ressourcenschonenden und umweltfreundlichen Urlaubs zudem positiv gegenüber eingestellt.

Wenn wir allerdings auf die Relevanz von Nachhaltigkeit bei der konkreten Reiseentscheidung schauen, dann zeigen – beispielsweise die Daten aus der Reiseanalyse – dass das Nachhaltigkeitskriterium bei der Planung von langen Urlaubsreisen mit fünf und mehr Tagen Dauer derzeit noch eine deutlich untergeordnete Rolle spielt. Bei den kurzen Urlaubsreisen mit zwei bis vier Tagen Dauer liegen die Relevanzwerte dagegen etwas höher. Die Busreisenden – und dies ist eine positiv überraschende Erkenntnis der Studie – binden das Nachhaltigkeitskriterium bei ihren Kurzreisen dabei häufiger in ihre Reiseentscheidungen ein, als dies der durchschnittliche Kurz-Urlauber tut! Das ist einerseits erfreulich, andererseits zeigt sich in der Gesamtschau, dass wir im Bereich der Nachhaltigkeit nach wie vor eine große Lücke zwischen den Einstellungen und dem tatsächlichen Verhalten haben.

Meine Empfehlung an die Busreisebranche lautet daher, weiterhin auf den gewichtigen Vorteil der Nachhaltigkeit zu setzen, sich jedoch auch in Geduld zu üben, bis der Aspekt der Nachhaltigkeit – und das sind unsere Erwartungen für die zukünftige Entwicklung – noch spürbarer bei der Entscheidung der Reisenden zum Tragen kommt.

Deutsches Institut für Tourismusforschung

Logo FH Westküste

Das Deutsche Institut für Tourismusforschung (DI Tourismusforschung) wurde im Jahr 2020 als In-Institut der Fachhochschule Westküste gegründet. Das Institut fokussiert sich auf eine interdisziplinär ausgerichtete und angewandte Tourismusforschung, wobei sowohl quantitative als auch qualitative Methoden zum Einsatz kommen. Drei Themenfelder stehen dabei im Mittelpunkt der Forschung: das Reiseverhalten des Menschen, die Effekte des Reisens auf Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie sowie die Optionen der strategischen Entwicklung von Destinationen und Institutionen. Gegenwärtig hat das DI Tourismusforschung 24 Mitglieder, die aktuell in über 30 Projekten forschen. Als erster Direktor wurde Prof. Dr. Bernd Eisenstein für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt.

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