Drei Fragen an Siegfried Brockmann

Newsletter 5/2023

Drei Fragen an Siegfried Brockmann

Siegfried Brockmann ist Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV) im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dort etablierte er einen interdisziplinären und verkehrsträgerübergreifenden Ansatz für die Verkehrssicherheitsforschung. Anja Ludwig sprach mit ihm über die Verkehrssicherheit auf deutschen Straßen sowie die "Vision Zero".

 

Siegfried Brockmann
Quelle: Unfallforschung der Versicherer (UDV) | www.udv.de
Du bist Deutschlands bekanntester Unfallforscher und blickst auf jahrelange (bzw. jahrzentelange) Erfahrungen zurück. Wie ist es bestellt um die Verkehrssicherheit in unserem Land?

In den letzten Jahrzehnten ist unglaublich viel passiert: Die Fahrzeuge selbst schützen ihre Insassen viel besser als früher, Stichworte Gurt, Airbag, sichere Fahrgastzelle, Assistenzsysteme. Die Infrastruktur ist durch ein dichtes Regelwerk viel sicherer geworden und wird ständig weiter verbessert. Das hat alles  dazu beigetragen, dass die Zahl der Getöteten sich auf einem Tiefststand befindet. Es gibt allerdings auch Herausforderungen in Bezug auf den steigenden Radverkehr, besonders mit Elektrounterstützung, in Bezug auf E-Scooter und in Bezug auf die  alternde Gesellschaft insgesamt. Da  ist noch viel Luft nach oben, vor allem in der Geschwindigkeit, mit der die Infrastrukturplanung auf diese Entwicklungen reagiert.

 

Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Assistenzsystemen in den Fahrzeugen, gerade auch im Nutzfahrzeugsegment, Stichwort Abbiegeassistent. Führt uns die weitere technologische Entwicklung ans Ziel „Vision Zero“?

Zur „Vision Zero“ muss zunächst einmal gesagt werden, dass es sich um eine Philosophie handelt: Im Zweifel und bei konkurrierenden Interessen für die Verkehrssicherheit. Dass wir jemals  keinen Verkehrstoten mehr haben werden, glaube ich angesichts  der Komplexität des Systems zumindest so lange nicht, wie der Mensch mit individuellen Entscheidungen daran beteiligt ist. Dass er aber davon durch vollautomatisierte Fahrzeuge komplett ausgeschlossen werden kann, sehe ich im Moment auch nicht. Assistenzsysteme haben aber natürlich das Potential, die Unfallzahlen weiter zu drücken. Sobald solche Systeme jedoch nicht mehr nur assistieren, sondern Fahraufgaben übernehmen, wird es wieder kritisch. Wenn ich Menschen aus den Aufgaben herausnehme, darf ich nicht erwarten, dass sie sie bei Problemen kurzfristig wieder übernehmen können. Leider sind die Anforderungen an diese sogenannte Mensch-Maschine-Schnittstelle bisher nicht ausreichend definiert und normiert.

 

Wir alle ärgern uns zumindest hin und wieder, wenn wir im Straßenverkehr unterwegs sind, über andere Verkehrsteilnehmer. Hast du einen Tipp, wie man mit diesem Ärger umgehen und ein besseres Miteinander auf der Straße erreichen kann?

Ich laufe ja auch nicht mit einem Heiligenschein herum und ärgere mich dann und wann heftig. Mein persönliches Rezept ist es, mir im anderen Fahrzeug jemanden vorzustellen, den ich kenne und mag, zum Beispiel Frau, Tochter, Enkelkind. Das schafft die Empathie, die wir im persönlichen Umgang außerhalb des Fahrzeugs hoffentlich auch hätten. Allerdings ist das für Menschen aus Kulturen mit toxischer Männlichkeit meist leider keine Option. Für Leute, die  alle Grenzen überschreiten, auf jemanden zurasen, ausbremsen oder gar aussteigen und körperlich gewalttätig werden, habe wir aber die Strafgesetze, die dann auch angewendet werden müssen.

 

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