Dr. Petra Seebauer ist seit Juli 2021 Geschäftsführerin der LKZ Prien GmbH und betreut unter anderem Projekte rund um die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Anja Ludwig sprach mit ihr über die Arbeit des Logistik-Kompetenz-Zentrums (LKZ) Prien, Trends und Chancen der Branche sowie die Infrastruktur für den Güterverkehr.
Die LKZ Prien GmbH akquiriert unter deiner Leitung Projekte und konzipiert diese von der ersten Idee bis zur Umsetzung in Logistik-Lösungen. Wie können wir uns diese Arbeit konkret vorstellen?
Das Logistik-Kompetenz-Zentrum (LKZ) Prien ist mit seinem großen Partnernetzwerk ein Innovationszentrum für Logistik, Verkehr und Mobilität, wo viele neue innovative und nachhaltige Ideen entstehen. Wir entwickeln im privatwirtschaftlichen Bereich für und mit unseren Kunden und Partnern aus Industrie, Handel und der Transportbranche praxisnahe, nachhaltige und langfristige Lösungen von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Das können Aufgabenstellungen beispielsweise für einen nachhaltigen Güterverkehr, der uns sehr am Herzen liegt, für eine Vernetzung von Verkehrsträgern, für urbane und rurale Mobilitätslösungen oder zu Themen wie der Verbesserung innerbetrieblicher Logistikprozesse oder organisatorischer Unternehmensabläufe sein.
Ein weiteres Geschäftsfeld sind die Projektbegleitung und -steuerung zu Förderprojekten auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Die LKZ Prien GmbH bietet in ihrer Funktion als neutraler Moderator eine Plattform für eine Vielzahl an Unternehmen aus verschiedenen Branchen, auf einem Grüne-Wiese-Konzept innovative und neue Ideen und kreative Logistik-Lösungen zu entwickeln. In der Vergangenheit konnten dabei eine Vielzahl an nachhaltigen und praxisorientierten Innovationsprojekten „vom Markt für den Markt“ mit vielen namhaften Unternehmen entwickelt und umgesetzt werden.
Das LKZ unterstützt zudem unter anderem bei der reinen Förderberatung und - begleitung und den Gesprächen mit Fördergebern, bei der Entwicklung von Lösungen zu Echtzeit-Verkehrsdaten-erhebungen oder bei der neutralen Moderation von Arbeitskreisen und Workshops. Wir beraten vor allem mittelständische Unternehmen, aber auch Kliniken, Rettungsdienste und Kommunen. Das LKZ ist in vielen Branchen regional und überregional tätig.
Uns zeichnet aus, dass wir als neutraler Partner über eine sehr gute Vernetzung innerhalb von Wirtschaft und Wissenschaft verfügen und auch gut vernetzt sind mit den zuständigen Ministerien und Verwaltungen auf Landes- und Bundesebene sowie länderübergreifend – und das schon seit über 20 Jahren
Du hast in Breite und Tiefe einen hervorragenden Überblick über die Themen der Logistik in Deutschland. Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen, aber auch die größten Trends und Chancen, die die Branche langfristig beschäftigen?
Unternehmen sind zunehmend mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert. Die Unsicherheit und damit einhergehend die Neugestaltung der Lieferketten, der Fachkräftemangel im Allgemeinen als auch der Mangel an Lkw-Fahrer und - Fahrerinnen im Güterverkehr sowie steigende Treibstoff- und Energiepreise sind nur einige Herausforderungen, welche die Unternehmen im Tagesgeschäft beschäftigen. Zudem erhalten die Standardisierung, Digitalisierung und Automatisierung in den logistischen Geschäftsprozessen und den Lieferketten sowie die stärkere Vernetzung und Verzahnung der Unternehmen einen zunehmend größeren Stellenwert.
Des Weiteren spielen in den Unternehmen aus Industrie, Handel und der Transportbranche die Themen Nachhaltigkeit und Klimaneutralität eine immer wichtigere und bedeutende Rolle und sind heute im Fokus des unternehmerischen Handelns mehr denn je angekommen. Die Unternehmen setzen mit ihren Nachhaltigkeits-programmen auf den besten Nutzen fürs Klima und stehen hierzu oftmals vor einem klaren Paradigmenwechsel.
Diese Herausforderungen und noch vieles mehr bieten auch neue Chancen und Möglichkeiten, bisherige Geschäftsmodelle zu überdenken und innovative, digital vernetzte und praxisorientierte Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Gerade im Zusammenspiel und Austausch aller Akteure entlang der Lieferketten lassen sich Lösungen für einen nachhaltigen, resilienten, digitalisierten und vernetzten Güterverkehr der Zukunft besser entwickeln und umsetzen. Eine Möglichkeit im Güterverkehr ist es, dass neue, nachhaltige und umsetzbare Geschäftsmodelle und Kooperationen vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen entwickelt werden, um gemeinsam mit einem größeren Transportvolumen auftreten zu können – mit den positiven Effekten in punkto Mengenbündelungen, Reduzierung von Leerfahrten, CO2-Reduzierungen im Güterverkehr und einiges mehr, wenn sich diese Mengen auf die Schiene verlagern lassen.
Das LKZ Prien arbeitet unter anderem am Kombinierten Verkehr, also an der Schnittstelle Schiene und Straße in der Logistik. Wie blickt ihr vor diesem Hintergrund auf die aktuelle Diskussion zur Infrastruktur? Europa und Deutschland wollen einen Modal Split des Güterverkehrs mit einem Anteil von 25% auf der Schiene. Die jüngsten Prognosen des BMDV sagen, dass dieses Ziel 2030 definitiv nicht erreicht wird. Was ist aus deiner Erfahrung notwendig, damit dieses Ziel erreicht werden kann?
Um die Versorgungssicherheit, die Verfügbarkeit von Waren und Gütern und die Stabilität in den Lieferketten auch zukünftig gewährleisten zu können, benötigen wir eine leistungsfähige und resiliente Infrastruktur für den Güterverkehr der Zukunft. Damit ist eine leistungsfähige Straßen-, Schienen- und Wasserstraßen-Infrastruktur gemeint. Dabei sollten die einzelnen Verkehrswege nicht als autarke Welten betrachtet werden. Vielmehr müssen wir die Stärken und Chancen der jeweiligen Verkehrswege und Verkehrsträger gemeinsam nutzen und bündeln. Eine vielversprechende und bereits erprobte Möglichkeit ist dabei der Kombinierte Verkehr.
Dies kann nur im Zusammenspiel aller Beteiligten des Güterverkehrs auf der Straße, Schiene und Wasserstraße gelingen, um die bereits erwähnten Herausforderungen in der Logistik gemeinsam bewältigen zu können. Im Straßengütertransport werden in Deutschland als auch europaweit eine höhere Verfügbarkeit an Parkplätzen und sanitären Einrichtungen für Lkw-Fahrer und Fahrerinnen benötigt, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auf der Schienenseite ist vor allem eine nationale als auch länderübergreifende Harmonisierung und Modernisierung der Schieneninfrastruktur von großer Bedeutung. Wir benötigen in diesem Zuge unter anderem die Digitalisierung sowie einen schnelleren Streckenausbau, mehr Terminalkapazitäten und neue Standorte mit innovativen multifunktionalen Anlagen. Die Nachfrage für eine Verlagerung von Gütern auf die Schiene ist bei einer Vielzahl an verladenden Industrie- und Handelsunternehmen als auch Unternehmen der Transportbranche vorhanden.
In unseren Projekten als auch in einer Vielzahl an Expertengesprächen wurde deutlich, dass nur gemeinsam mit allen Akteuren und unter Einbezug der zuständigen Ministerien und Verwaltungen eine Mehrverlagerung der Güter von der Straße auf die Schiene gelingen kann. Bereits kleine Verbesserungen und Optimierungsansätze sowie politische Hilfestellungen und Fördermöglichkeiten auf Landes- und Bundesebene können zu großen Veränderungen des Schienengüterverkehrs von Morgen führen. Deshalb bedarf es einer höheren Fördermittelbereitstellung für Projekte und Investitionsvorhaben privatwirtschaftlicher Unternehmen in punkto Kombinierter Verkehr und zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen einzelnen Akteuren entlang der Lieferkette.
Digitale Prozesse sowie die digitale Vernetzung aller Beteiligten werden in Zukunft in den Wertschöpfungsnetzwerken noch weiter an Bedeutung gewinnen und damit einen wesentlichen Beitrag für einen nachhaltigen, klimafreundlichen und resilienten Güterverkehr der Zukunft leisten. Deshalb sind auch diverse Digitalisierungsmaßnahmen entlang der Lieferkette für einzelne beteiligte Unternehmen, insbesondere an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Akteuren, stärker zu fördern.
Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft gemeinsam vieles bewegen können, wenn wir es nur tun. Für uns alle sind durchgängige, störungsfreie Lieferketten und ein reibungsloser Waren- und Güterverkehr essenziell.
Zur Person Dr. Petra Seebauer
Dr. Petra Seebauer ist seit Juli 2021 Geschäftsführerin der LKZ Prien GmbH und betreut Projekte im Bereich nachhaltiger Güterverkehr, digitale und nachhaltige Lieferketten, kooperative Distribution, multimodale Transportlösungen, City-Logistik, innovative und nachhaltige Mobilitätslösungen, Regionalentwicklung und prozessorientiertes Controlling. Die promovierte Logistikerin und Diplom-Kauffrau verfügt über umfassende Beratungs-Kompetenz für Logistikprozesse in Beschaffung, Produktion und Distribution. Sie blickt zudem auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Verlags- und Veranstaltungsbereich zurück, vor allem zu Logistik- und Supply-Chain-Themen. Die erfahrene Moderatorin und Referentin ist auch Initiatorin zahlreicher Projekte, Veranstaltungen und Awards für Logistik, Supply Chain, Mobilität und Verkehr. Die Logistik-Expertin und Netzwerkerin ist Mitglied bei zahlreichen Verkehrsverbänden und in Beirats- und Jurypositionen aktiv, u.a. Mitglied im Verkehrsausschuss der IHK für München und Oberbayern, Beirätin beim Logivisor Institute, Gutachterin bei der Initiative „Logistik | ist weiblich“ (eine Initiative der Logistik Initiative Bayern und des StMB), der DVWG Südbayern e.V., der Bundesvereinigung Logistik e.V., Wirtschaftsbeirat Bayern, LBS e.V., Logistik Initiative Bayern, SGKV e.V., SVG eG.
Zum Logistik-Kompetenz-Zentrum Prien (LKZ)
Das LKZ, gegründet 1997, ist ein Innovationszentrum für Logistik, Verkehr und Mobilität mit interdisziplinärer Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft und internationaler Ausrichtung. Seit über 25 Jahren entwickelt, steuert und koordiniert die LKZ Prien GmbH umfassendes Logistik-Know-how als innovativer Projektentwickler und bietet den Kunden optimale, praxisnahe und langfristige Lösungen aus einer Hand. Gesellschafter der LKZ Prien GmbH sind der Landkreis Rosenheim und die Marktgemeinde Prien. Geschäftsführerin ist Dr. Petra Seebauer. Die Schwerpunkte der LKZ Prien GmbH liegen in den Bereichen nachhaltiger Güterverkehr, Kombinierter Verkehr, alpenquerender Güterverkehr, Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene, innerbetriebliche Logistikprozesse, Vernetzung von Verkehrsträgern, urbane und städtische Mobilitätslösungen, Regionalentwicklung, Prozesse im Baugewerbe, Versorgungsprozesse in Kliniken, bei Rettungsdienst und Katastrophenschutz, u.v.m. Neben der LKZ Prien GmbH sind 15 weitere Unternehmen mit fast 70 Mitarbeitern im Logistik-Kompetenz-Zentrum angesiedelt, einem attraktiven Standort in der Region, dort wo andere Urlaub machen. Die LKZ Prien GmbH bindet darüber hinaus Experten und Unternehmen aus Deutschland und Europa mit spezieller Logistik-Kompetenz als Netzwerkpartner ein. Das Innovationszentrum stärkt mit dieser zielgerichteten, übergreifenden Arbeitsweise und Zusammenarbeit die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen und Regionen im Zukunftsfeld Logistik und Mobilität. Darüber hinaus sichert das Logistik-Kompetenz-Zentrum Arbeitsplätze und Standorte sowohl bei den Kunden als auch im LKZ-Netzwerk. Weitere Informationen: www.lkzprien.de