Dr. David Saive, LL.M. ist Rechtsanwalt in Hamburg. Er berät Unternehmen, Staaten und Internationale Organisationen bei der Digitalisierung des Transport, Außenhandels und der Außenhandelsfinanzierung. Unter anderem ist er als Legal Product Owner für die Open Logistics Foundation und als Special Advisor International Trade, Finance and Digitalization für die ICC Germany (Internationale Handelskammer) tätig.
Anja Ludwig sprach mit ihm über Herausforderungen und die Notwendigkeit einer Datenstrategie für Unternehmen, die Forderung nach Koordination zwischen Behörden und der Wirtschaft sowie über die Auswirkungen des Data Acts auf Unternehmen in der Logistik.
David, du bist Jurist und Experte für Digitalisierung insbesondere im Transportsektor. Wie kam es zu diesem Themenschwerpunkt und wo stehen wir da aktuell in der Branche?

Ich habe Maritimes Wirtschaftsrecht in Hamburg studiert und dadurch Transportrecht von der Pike auf gelernt. Im Rahmen meines Promotionsprojekts habe ich dann eine Anwendung entwickelt, mit der sich Seefrachtkonnossemente rechtssicher digitalisieren lassen. Das hat mich geprägt und so fresse ich mich jetzt wie Pacman durch alle Transportdokumente und digitalisiere sie Stück für Stück.
Die Branche steht vor einer massiven Herausforderung. Die reine Ortsveränderung von Gütern als Kern aller logistischen Dienstleistungen rückt immer mehr in den Hintergrund. Alle Beteiligten im System müssen sich daher nach neuen Geschäftsmodellen umsehen. Meines Erachtens liegt der Schlüssel dazu in der Monetarisierung der eigenen Daten. Alle Unternehmen sollten spätestens jetzt ihre Digitalisierungsstrategie um eine dezidierte Datenstrategie ergänzen. Die Kernfragen sollten sein: Welche Daten habe ich? Welche brauche ich? Wem möchte ich diese Daten zu welchen Bedingungen geben - und wem nicht?
Wenn du dir von der neuen Bundesregierung etwas wünschen dürftest zum Thema Digitalisierung, was wäre das?
Koordination, und zwar in dreierlei Hinsicht: Koordination zwischen den Ministerien, Koordination zwischen der Wirtschaft und den Ministerien sowie Koordination mit der EU und Internationalen Organisationen. Digitalisierung ist ein Querschnittsthema und kann nicht nur aus einem Sektor herausgedacht werden. Der eCMR ist dafür ein schönes Beispiel. Als originäres Transportdokument dient er primär zivilrechtlichen Beweiszwecken. In der Praxis steht aber seine Funktion im Rahmen öffentlich-rechtlicher Kontrollen im Vordergrund. Sowas muss man praktisch berücksichtigen.
Vor dem Hintergrund des im vergangenen Jahr bereits in Kraft getretenen und ab September 2025 wirksamen EU Data Acts – was rätst du den Unternehmen in der Logistikbranche?
Der Data Act wird die Art, wie wir mit Produktdaten umgehen, massiv verändern. Durch die Datenzugangs- und Datenherausgabeansprüche werden Produktdaten mit einem messbaren juristischen Wert versehen. Dadurch beantwortet der Data Act ein paar der Fragen, die ich bereits unter der Datenstrategie ganz generell näher betrechten würde. Meine dringende Empfehlung ist es daher, sich heute schon mit den Implikationen des Data Acts für das eigene Haus auseinanderzusetzen. Als überzeugter Verfechter von Open Source und branchenübergreifenden Standards würde ich mir wünschen, dass wir darüber einen neue Diskussion über das „Ob“ und „Wie“ des Datenaustauschs in der gesamtem Branche und sektorübergreifend anstoßen könnten. Die AdSP und Logistik-AGB haben insofern durchaus Potential für eine Reform.