Frank Huster ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV). Anja Ludwig sprach mit ihm über Verbandsarbeit, Künstliche Intelligenz und blickte mit ihm auf das bevorstehende Jahr 2025.
Du bist seit mehr als 10 Jahren an der Spitze des DSLV. Mein Eindruck ist, Verbandsarbeit wird immer herausfordernder. Die Unverbindlichkeit der Politik wird größer, die Erwartungen der Mitglieder werden (noch) ambitionierter und das wirtschaftliche Umfeld wird schwieriger - was motiviert dich, was treibt dich an?
Wir stecken in einer der größten Krise der Bundesrepublik Deutschland, vielleicht sogar in der größten. Hierfür gibt es eine Vielzahl von Auslösern, die offensichtlich goldene Dekaden beendet haben. Zuvor waren Krisen latent und konnten überwunden werden mit einer in den Grundfesten stabilen und offenen Wirtschaft, die auf freie Märkte setzen konnte, statt auf Protektionismus. Jetzt erodiert das globale Wohlstandsmodell, auf dem der Erfolg der deutschen Wirtschaft jahrzehntelang basierte. So hat das Institut der deutschen Wirtschaft die Lage treffend zusammengefasst. In diesen Strudel ist eine offenkundig unvorbereitete Bundesregierung geraten, die zugunsten hehrer Ziele priorisiert hat, aber die Strukturprobleme im Kern nicht angegangen ist. Seit klar ist, dass es Neuwahlen gibt, ist der Bundestag faktisch untätig – vornehmlich aus parteitaktischen Gründen. Vom vielfach angekündigten Deutschlandpakt der Parteien der demokratischen Mitte keine Spur mehr. Das macht politische Verbandsarbeit jetzt noch schwieriger. Wenn es keinen Ansprechpartner mehr gibt, bleibt kein Raum für politische Aufklärungsarbeit aus Branchensicht und für den konstruktiven Dialog. Das ist grundsätzlich gefährlich. Denn wenn sich das Gefühl etabliert, dass selbst Verbände kein Gehör mehr finden, schwindet die Bereitschaft des Einzelnen, sich überhaupt noch zu engagieren. Andererseits kann ich mich darüber im DSLV derzeit überhaupt nicht beschweren. Unsere Gremienarbeit zeugt von hoher Beteiligung und kreativen Ideen und Gedanken. Der Frust wächst, aber es gibt nach wie vor Zuversicht und Gestaltungswillen. Du fragtest nach meiner Motivation? Genau das ist es.
Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Aber für viele ist es nur ein Buzzword wie Digitalisierung oder Nachhaltigkeit. Was glaubst du, wann sehen wir bei Logistikern und Spediteuren entlang der Wertschöpfungskette grundlegende Veränderungen durch KI?
Wenn man nur darüber spricht und Disruption beklagt, ist es ein Buzzword. Nicht aber, wenn man im Unternehmen beginnt, Prozesse zu identifizieren, bei denen KI unterstützen oder direkt die Regie übernehmen kann. Das gilt vor allem für Routineprozesse, aber auch für vorausschauende Unternehmensplanungen. Die Veränderung ist doch längst eingeleitet, sie ist Teil des evolutionären Prozesses der Digitalisierung in zahlreichen Unternehmen der Logistik. Ich höre oft, die „Kleinen“ seien „bei der Digitalisierung“ längst noch nicht so weit, wie die Global Player der Logistikbranche, die über ganz andere Ressourcen verfügten. Das stimmt nicht. Das Geschäftsmodell und das angestrebte Ziel beim Einsatz von KI und anderen digitalen Tools ist entscheidend und nicht die Unternehmensgröße. Das Ergebnis mag disruptiv für den Anbietermarkt insgesamt sein, aber aufhalten können wir die Reise nicht. Der DSLV setzt sich hier für einen Rechtsrahmen zum maximalen Schutz des Unternehmenssphäre ein.
Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende. Wie guckst du auf 2025? Nur Sorgen und Skepsis oder auch Optimismus?
Ich sorge mich ernsthaft. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Leistungskraft reicht kaum noch für die Aufrechthaltung unseres hohen selbstverordneten Umwelt- und Sozialschutzniveaus. Die nächste Bundesregierung muss also entscheiden, wo Abstriche gemacht werden müssen. Wenn sie nicht erfolgreich handelt, gewinnt libertäres und neurechtes Denken bei der Suche nach Ordnung und nach Antworten auf komplexe Fragen immer mehr an Bedeutung. Wenn demgegenüber Politik ambitioniert und wachstumsorientiert handelt, offen und ehrlich – auch schlechte Nachrichten – kommuniziert, Nöte versteht und Sorgen ernst nimmt, könnte eine neue Erfolgs-Story geschrieben werden. Es ist sicher besser, hoffnungsvoll nach vorne als sehnsuchtsvoll zurückzuschauen.