Jutta Knell ist stellvertretende Hauptgeschäftsführerin beim Bundesverband Spedition und Logistik. Die Rechtsanwälting verantwortet darüber hinaus die Bereiche Zoll- und Außenwirtschaftsrecht und Umsatzsteuer. Anja Ludwig sprach mit ihr über die aktuelle Zollpolitik der USA und die Auswirkungen auf Europa und die Weltwirtschaft.
Liebe Jutta, du bist ausgewiesene Expertin im Bereich Zölle, aber ich denke, auch für dich ist es nicht leicht, in der aktuellen Situation um Zölle und Gegenzölle, angekündigte und wieder ausgesetzte Zollerhöhungen und Zoll-Ausnahmen den Überblick zu behalten. Welche Auswirkungen haben die jüngsten Zollerhöhungen der USA und die Reaktionen Chinas und der EU auf die Logistik?

Die zusätzlichen US-Zölle auf europäische Exporte beeinträchtigen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Produkte und reduzieren damit die Nachfrage nach Speditions- und Logistikdienstleistungen. Zu befürchten sind massive Einbußen im Überseegeschäft. Besonders problematisch sind transatlantische Lieferungen, in denen die Strafzölle noch nicht eingepreist sind. Das erhöht das Risiko von Annahmeverweigerungen in den USA, was für alle Beteiligten teuer und aufwendig ist. Zudem ziehen einige Lieferanten in Erwägung, die Ware zurückzuholen, da dies in manchen Fällen kostengünstiger sein kann, als die Zölle zu zahlen oder auf eine Lösung zu warten.
Handelskonflikte zwischen den USA und anderen Ländern, z.B. China führen zu Störungen in globalen Lieferketten und betreffen zumindest indirekt auch europäische Spediteure, da internationale Lieferketten eng vernetzt sind. Sanktionen, Exportkontrollen oder neue Vorschriften können zu unerwarteten Umleitungen von Warenströmen führen.
Gegenzölle der EU wirken sich direkt auf die Einfuhrkosten aus und erfordern von Spediteuren erhöhte Sicherheiten und Bürgschaften zur Absicherung der Abgaben. Dies bindet Liquidität und führt zu erhöhten Haftungsrisiken. Zollspediteure müssen für die Einfuhrabgaben in Vorleistung gehen, durch die erhöhten Zölle steigt auch das Ausfallriskio, z.B. durch Insolvenz des Kunden.
Hast du eine Empfehlung an deutsche Spediteure, wie sie ihre Lieferketten optimieren können, um den Herausforderungen durch derart massive internationale Zollkonflikte, zu begegnen?
Industrie- und Handelsunternehmen reagieren auf geopolitische Unsicherheiten mit der Diversifizierung ihrer Lieferketten, was zu veränderten Transportwegen, neuen Häfen und geänderten Logistikanforderungen führt und Spediteure zu ständiger Anpassung zwingt. Deutsche Spediteure müssen flexibel und zeitnah auf geänderte Lieferkettenstrukturen reagieren. Politische Unsicherheiten können aber auch alternative Handelswege attraktiv machen. Dies bietet Spediteuren die Möglichkeit, neue Routen und Transportmodelle zu erschließen und so ihr Geschäftsportfolio zu erweitern.
Wie bewertest du den Vorschlag eines transatlantischen Freihandelsabkommens? Ist das realistisch und würde das wirklich die Probleme lösen?
Das Thema eines transatlantischen Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU ist sehr komplex und wird seit Jahren diskutiert. Solch ein Abkommen könnte potenziell den Handel erleichtern, Zölle abbauen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit stärken. Allerdings gibt es auch viele Herausforderungen und Bedenken, wie unterschiedliche Standards, regulatorische Unterschiede und politische Meinungsverschiedenheiten. Ob es realistisch ist, ein umfassendes Abkommen in absehbarer Zukunft zu erreichen, ist schwer zu sagen. Ein Freihandelsabkommen könnte positive Effekte haben, aber es ist kein Allheilmittel für alle bestehenden Handelsprobleme. Es erfordert viel Verhandlungsgeschick, gegenseitiges Verständnis und Kompromisse.